Vortragsveranstaltung
29.
Januar 2003
Zwischen Auswanderung und Zwangsarbeit:
Italienische Fremdarbeiter in NS-Deutschland 1938-1945
Prof. Dr. Brunello
Mantelli
Dipartimento di Storia dell’Università
Torino
Mitte April
1937 wurde bei der italienischen Botschaft in Berlin von deutscher
Seite ein Kontingent von insgesamt 2500 landwirtschaftlichen Arbeitern
angefordert, von denen 500 auf Dauer und 2000 als Saisonarbeiter
eingestellt werden sollten. Am 28. Juli 1937 kam es zu einem ersten
Abkommen, das am 3. Dezember 1937 durch ein Zusatzprotokoll ergänzt
wurde. 1938 reisten dann insgesamt 31071 landwirtschaftliche Arbeiter
nach Deutschland; 1939 waren es 36000; von 1940 an blieb es schließlich
bei jährfich etwa 50000, bis 1943 der Saisonarbeiterstrom wieder
abbrach.
Neben landwirtschaftlichen
Arbeitern forderte das Deutsche Reich beim italienischen Verbündeten
auch Industriearbeiter an, vor allem für den Bausektor und
den Bergbau. So kamen von Herbst 1938 bis Ende 1939 insgesamt 9500
Bauarbeiter nach Deutschland, von denen 3000 für den Bau des
Volkswagenwerkes in Fallersleben bestimmt waren, während die
anderen nach Salzgitter geleitet wurden, wo der Bau der Hermann-Göring-Stahlwerke
begonnen wurde. Auch bei der Accumulatoren-Fabrik AG in Hagen wurden
ab 1940/41 Arbeitskräfte aus Italien eingesetzt. Das im Frühjahr
1941 begonnene Bauprogramm für Luftschutzbunker stützte
sich im Ruhrgebiet bis Anfang 1942 besonders auch auf italienische
Bauarbeiter.
Anders - und
in gewisser Hinsicht enger mit der Entwicklung der wirtschaftlichen
und politischen Beziehungen zwischen Italien und Deutschland verknüpft
- war die Situation der Bergarbeiter. Die italienische Industriewirtschaft
geriet in immer stärkere Abhängigkcit von der deutschen
Kohle, deren regelmäßige Lieferung jedoch unter anderem
durch den Arbeitskräftemangel in den deutschen Bergwerken in
Frage gestellt war. Somit bestanden gute Voraussetzungen für
einen Austausch-Mechanismus zwischen Bergleuten auf der einen und
Kohle auf der anderen Seite.
Der Wendepunkt
kam im Sommer 1943. Nach Absetzung Mussolinis am 25. Juli 1943 und
schließlich mit der Kapitulation Italiens am 3. September
1943 änderte sich der Status und auch die Behandlung der italienischen
Arbeitskräfte im Deutschen Reich. Aus den nach außen
hin relativ freien Arbeitnehmern wurden Kriegsgegner und Zwangsarbeiter.
Die so genannten Italienischen Militärinternierten zählten
ab Herbst 1943 zu der Gruppe von Zwangsarbeitern, die besonders
unter Willkür, schlechter Behandlung und Hunger zu leiden hatten.
Curriculum
vitae et studiorum
Prof. Dr. phil.
Brunello Mantelli beschäftigt sich derzeit mit vergleichender
Faschismusforschung und der Geschichte der Wirtschaftsbeziehungen
in Europa zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg sowie mit der Sozial-
und Wirtschaftsgeschichte Europas im Zweiten Weltkrieg.
1991 Italienisches
“Dottorato di ricerca” an der Universität Turin
im Fach Neueste Geschichte.
1992 Gastdozentur an der Universität Potsdam.
1993 Vertretung an der Universität Turin, Fach Neueste Geschichte
mit besonderer Berücksichtigung der Deutschen Geschichte.
1995-1996 Stipendium in Rahmen des Vigoni-Programms; Forschungsprojekt
zur Nachskriegszeit in Italien und Deutschland.
1995 bis 2000 Hochschuldozent an der Universität Turin, philologische
und philosophische Fakultät, Fach Neueste Geschichte mit besonderer
Berücksichtigung der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert.
Im Sommersemester 2000 Gastdozentur an der Ludwig Maximilians-Universität
zu München.
Seit 2001 Universitätsprofessor an der Universität Turin,
philologische und philosophische Fakultät, Fach Neueste Geschichte
mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte Europas im 20.
Jahrhundert, Studiengang Kommunikationswissenschaften.
Deutschsprachige
Veröffentlichungen (in Auswahl)
Von der Wanderarbeit
zur Deportation. Die italienischen Arbeiter in Deutschland 1938-1945,
in: Ulrich Herbert (Hg.), Europa und der “Reichseinsatz”,
Essen 1991; In Deutschland arbeiten: Die Italiener - von der Achse
bis zur Europäischen Gemeinschaft, in: Archiv für Sozialgeschichte
32 (1992) (zusammen mit Luigi Cajani); Proletarier der Achse. Sozialgeschichte
der italienischen Fremdarbeit in NS-Deutschland 1937 bis 1943, Berlin
1997 (zusammen mit Cesare Bermani u. Sergio Bologna); Kurze Geschichte
des italienischen Faschismus, Berlin 1998; Faschismus, Geschichte
Italiens, Selbstverständnis der Republik, in: Christof Dipper
/ Rainer Hudemann / Jens Petersen (Hg.); Faschismus und Faschismen
in Vergleich, Köln 1997; Vom “bilateralen Handelsaustausch”
zur “Achse Berlin-Rom”, in: Wolfgang Schieder / Jens
Petersen (Hg.), Faschismus und Gesellschaft in Italien, Köln
1998; Die Italiener auf dem Balkan 1940-1943, in Christof Dipper
/ Lutz Klinkhammer / Alexander Nützenadel (Hg.); Europäische
Sozialgeschichte. Festschrift für Wolfgang Schieder, Berlin
2000; Revisionismus durch “Aussöhnung”. Politischer
Wandel und Krise der historischen Erinnerung in Italien, in: Christoph
Cornelißen / Lutz Klinkhammer (Hg.), Deutschland, Italien
und Japan 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg (vorlaufiger Titel),
Frankfurt/Main (im Druck); Rassismus als wissenschaftliche Welterklärung.
Über die tiefen kulturellen Wurzeln von Rassismus und Antisemitismus
in Italien und anderswo, in: Christof Dipper (Hg.); Sonderhefte
des Historischen Kolleges, München (im Druck).
Veranstaltungsort
Historisches Centrum Hagen
Stadtmuseen / Stadtarchiv
Eilper Strasse 71 - 75
D-58091 Hagen
fon: +49 (0) 23 31 207 27 40
fax: +49 (0) 23 31 207 24 47
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